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30. September 2022
Neuen Informationspflichten für Arbeitgeber nach dem Nachweisgesetz
In Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1152 wurde das schon bisher bestehende Nachweisgesetz zum 01.08.2022 geändert. Bereits bisher war in § 2 Abs. 1 NachweisG (a.F.) geregelt, dass der Arbeitgeber die wichtigsten Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen hat und dem Arbeitnehmer aushändigen muss. Das ist in der Regel in Form eines schriftlichen Arbeitsvertrages geschehen. In der juristischen Praxis war die Relevanz des Nachweisgesetzes gleich Null, da Verstöße nicht sanktioniert worden sind.
Das hat sich nun entscheidend geändert. Ab dem 01.08.2022 müssen den Arbeitnehmern erheblich mehr Informationen schriftlich ausgehändigt werden als bisher. Es gibt im Grunde zwei Möglichkeiten, wie man das als Arbeitgeber erledigen kann: Entweder ändert man die Arbeitsverträge für die neu eingestellten Arbeitnehmer oder man erstellt ein extra Nachweisblatt, auf welchem diese Informationen aufgeführt sind, legt das dem Arbeitsvertrag bei uns lässt dieses Niederschrift vom Arbeitnehmer gesondert unterschreiben. Die gesonderte Niederschrift hat den Vorteil, dass man das auch für die Arbeitnehmer verwenden kann, die schon beschäftigt sind. Die neuen Pflichten gelten für alle Neueinstellungen ab dem 01.08.2022. Für die bereits beschäftigten Arbeitnehmer gilt, dass sie nur dann schriftlich unterrichtet werden müssen, wenn sie den Arbeitgeber dazu auffordern. Dann gibt es eine Frist von 7 Tagen.
Wichtig ist das Ganze deshalb, weil es mittlerweile Bußgeldvorschriften gibt, die bei Verstößen bis zu € 2.000,00 pro Verstoß festsetzen. Bei einer großen Anzahl von Arbeitnehmern kann das also richtig teuer werden, wenn diese das gleichzeitig verlangen und monieren.
Der Gipfel der Nachweispflichten besteht darin, dass man auch jetzt auf die dreiwöchige Klagefrist nach Erhalt einer Kündigung hinweisen muss. Die Regelung in § 7 des Kündigungsschutzgesetzes, wonach Kündigungsschutzklagen, die später als 3 Wochen eingereicht werden, verfristet und damit unbeachtlich sind, bleibt bestehen. Was die Rechtsprechung allerdings aus dem Ganzen macht und ob sie verspätete Klagezulassungen erleichtert im Hinblick auf die Regelung des Nachweisgesetzes, bleibt abzuwarten. Ob der Arbeitnehmer neben seinem Arbeitsvertrag das Arbeitsblatt aufhebt und liest, ist natürlich eine andere Frage.
11. April 2021
Schmerzensgelder wegen Datenschutzverstößen
Nach Inkrafttreten der Datenschutz Grundverordnung (DSGVO) konzentrierte sich die öffentliche Aufmerksamkeit und die Medienberichterstattung vor allem auf die empfindlichen Bußgelder, die aufgrund der DSGVO ermöglicht und teilweise auch verhängt wurden. Weniger Aufmerksamkeit erlangte zunächst der neue Anspruch auf Erstattung eines immateriellen Schadens nach Art. 82 DSGVO („Schmerzensgeld“). Dies ändert sich zunehmend. Es liegen bereits einige Entscheidungen vor, in denen sich Gerichte mit Schmerzensgeldansprüchen befassen mussten.
In einem Teil der Entscheidungen wurde ein Schmerzensgeld abgelehnt. In vielen dieser Fälle war bereits fraglich, ob überhaupt ein Datenschutzverstoß vorlag. Dennoch beriefen sich diese Urteile stets auch darauf, dass jedenfalls ein – wenn auch immaterieller – Schaden vorgetragen werden müsse. Nicht jeder Datenschutzverstoß führe automatisch zu einem Schmerzensgeld, insbesondere in Bagatellfällen bestehe kein Anspruch (LG Landshut, Urteil vom 06. November 2020 – 51 O 513/20, LG Köln, Urteil vom 07. Oktober 2020 – 28 O 71/20, LG Frankfurt, Urteil vom 18. September 2020 – 2-27 O 100/20, LG Frankfurt, Urteil vom 03. September 2020 – 2-03 O 48/19, LG Karlsruhe, Urteil vom 02. August 2019 – 8 O 26/19, AG Bochum, Beschluss vom 11.03.2019 – 65 C 485/18, OLG Dresden, Beschluss vom 11.06.2019 – Az.: 4 U 760/19).
Ob sich diese Ansicht durchsetzen kann, wird nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 14. Januar 2021 (Az.: 1 BvR 2853/19) ein Urteil des Amtsgerichts Goslar aufgehoben, das mit dieser Begründung ein Schmerzensgeld abgewiesen hatte. Das BVerfG begründet dies damit, dass Art. 82 DSGVO nicht ausdrücklich eine Erheblichkeitsschwelle oder eine Ausnahme für Bagatellfälle vorsieht. Das bedeutet nun nicht automatisch, dass es solche Ausnahmen nicht gibt, eine entsprechende Auslegung kann aber nur der EuGH vornehmen, dem der Rechtsstreit nun vorzulegen sein wird.
Es gibt aber auch bereits erste Urteile, in denen Schmerzensgeld zugesprochen wurde. Das Arbeitsgericht Köln sprach einer als Professorin tätigen Arbeitnehmerin, deren Profil als PDF-Datei zumindest über eine Suchmaschine noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auffindbar war, ein Schmerzensgeld i.H.v. € 300,00 zu (ArbG Köln, Urteil vom 12. März 2020 – 5 Ca 4806/19). Ein Bewerber, den ein potentieller Arbeitgeber über ein soziales Netzwerk kontaktieren wollte, hierbei aber einen anderen Nutzer kontaktierte und dabei unter anderem die Gehaltsvorstellung des Bewerbers offenbarte, erhielt vom LG Darmstadt ein Schmerzensgeld von € 1.000,00 zugesprochen (LG Darmstadt, Urteil vom 26. Mai 2020 – 13 O 244/19). Auch eine unberechtigte SCHUFA-Meldung führt kann zu einem Schmerzensgeld in Höhe von € 1.000,00 führen (LG Lüneburg, Urteil vom 14.07.2020 – 9 O 145/19). Für die unberechtigte Weitergabe von Mitarbeiterdaten an die Ausländerbehörde nimmt das Arbeitsgericht Dresden ein Schmerzensgeld in Höhe von € 1.500,00 an (ArbG Dresden, Urteil vom 26. August 2020 – 13 Ca 1046/20).
Gefährlich kann es werden, wenn ein Betroffener Auskunft über die Verarbeitung seiner Daten nach Art. 15 DSGVO verlangt, und das verantwortliche Unternehmen die Auskunftserteilung verzögert. So geht das Arbeitsgericht Neumünster von einem Schmerzensgeld von € 500,00 für jeden Monat der Verspätung aus (ArbG Neumünster, Urteil vom 11. August 2020 – 1 Ca 247 c/20). Das Arbeitsgericht Düsseldorf nimmt für die ersten zwei Monate der Verspätung jeweils € 500,00, für die weiteren Monate Verspätung jeweils € 1.000,00 als Schmerzensgeld an, zudem weitere jeweils € 500,00 für jeden inhaltlichen Mangel. Dies summierte sich im dort entschiedenen Fall auf ein Schmerzensgeld von insgesamt € 5.000,00 (ArbG Düsseldorf, Urteil vom 05.03.2020 – 9 Ca 6557/18).
Es steht zu erwarten, dass zukünftig die Höhe der Schmerzensgelder für Datenschutzverstöße weiter steigen wird, insbesondere, falls das Berufen auf einen “Bagatellfall” vom EuGH negativ beschieden wird
24. April 2020
Die Rückkehr des Widerrufs-Jokers?
Mit Urteil vom 26.03.2020 hat der EuGH entschieden, dass Widerrufsbelehrungen nicht den europarechtlichen Anforderungen entsprechen, die für den Beginn der Widerrufsfrist auf den Erhalt der in § 492 Abs. 2 BGB aufgeführten Angaben hinweisen. Die Entscheidung begründet der EuGH damit, dass § 492 Abs. 2 BGB wiederum auf Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB verweist (sog. Kaskadenverweis). Bei einer solchen Belehrung könne der Verbraucher weder den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung erkennen noch überprüfen, ob der Vertrag alle erforderlichen Angaben enthält und ob die Widerrufsfrist für ihn zu laufen begonnen habe.
Führt dies jetzt dazu, dass alle Darlehensverträge seit dem 10.06.2010 widerruflich sind, wie dies seit dem Urteil in der Presse und in Verbraucherforen diskutiert wird?
Ganz so pauschal sicher nicht. So gilt eine Widerrufsbelehrung, die der gesetzlichen Musterwiderrufsbelehrung entspricht, nach Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB, von Gesetzes wegen als richtig, wenn sie in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form erteilt wurde (sog. Gesetzlichkeitsfiktion). Für Immobiliardarlehen, die nach dem 21.03.2016 abgeschlossen wurden endet die Widerrufsfrist nach § 356b Abs. 2 S. 4 BGB nach einem Jahr und 14 Tagen. Ein „ewiges Widerrufsrecht“ kommt somit bei Immobiliardarlehen, die zwischen Juni 2010 und März 2016 abgeschlossen wurden, sowie bei anderen Darlehensverträgen, die nach Juni 2010 abgeschlossen wurden in Betracht, aber nur, wenn sich die Bank nicht auf den gesetzlichen Musterschutz berufen kann.
2. April 2020
Das COVID-19-Gesetz – Auswirkungen auf Darlehensverträge
Die Corona-Krise bringt viele Arbeitnehmer und Kleinstunternehmer in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten, insbesondere, wenn sie Kredite abzuzahlen haben. Der Bundestag hat daher in Art. 240 § 3 EGBGB Regelungen eingeführt, um Darlehensnehmer vor den wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zu schützen. Die Regelung gilt zunächst für Verbraucherdarlehensverträge, kann aber durch Rechtsverordnung der Bundesregierung auch auf Kleinstunternehmer ausgeweitet werden. Sie gilt für Darlehensverträge, die vor dem 15. März 2020 abgeschlossen wurden.
Nach der neuen gesetzlichen Regelung sind sämtliche Ansprüche des Darlehensnehmers, also Zins-, Tilgungs- und Rückzahlungsansprüche, die zwischen dem 01. April 2020 und dem 30. Juni 2020 fällig werden, mit Eintritt der Fälligkeit für die Dauer von drei Monaten gestundet. Die Stundung tritt von Gesetzes wegen ein. Die Vertragsparteien werden ermutigt, eine einverständliche Regelung zu treffen darüber, zu welchen Bedingungen der Darlehensvertrag fortgesetzt wird. Während dieser Stundungsfrist ist auch die Kündigung des Darlehensvertrages durch den Darlehensgeber wegen Zahlungsverzuges ausgeschlossen.
Problematisch an der gesetzlichen Regelung ist, dass die Stundung automatisch eingreift, also nicht vom Darlehensnehmer geltend gemacht werden muss. Sie greift aber nur ein, wenn der Verbraucher „aufgrund der durch Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einnahmeausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist“.
Diese gesetzliche Regelung ist leider gründlich misslungen.
So tritt die Stundung von Gesetzes wegen, also automatisch ein, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Ob die Voraussetzungen vorliegen kann der Darlehensgeber aber ohne Mitteilung des Darlehensnehmers überhaupt nicht beurteilen. Besteht also kein ständiger Kontakt zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer, so bleibt die Bank zunächst völlig im Unklaren darüber, ob sie weiter Darlehensraten verlangen kann. Wird die Darlehensrate im SEPA-Lastschriftverfahren eingezogen, so droht eine Flut von Rückbuchungen. Und diese Rückforderung kann wohl auch noch deutlich später geltend gemacht werden. Kündigt die Bank nach Ende der Corona-Krise wegen Zahlungsverzug, so könnte der Darlehensnehmer einwenden, im Zeittraum April bis Juni 2020 seien die eingezogenen Darlehensraten nicht fällig gewesen, damit habe in dieser Zeit eine Überzahlung vorgelegen, mit der jetzt erst aufgerechnet werde. Einzig bei Ratenzahlung durch Daueraufträge oder Einzelüberweisungen muss der Darlehensnehmer selbst tätig werden, eine solche Zahlung bleibt trotz Stundung wirksam.
Aber auch für Darlehensnehmer ergeben sich erhebliche Unsicherheiten. So ist Voraussetzung der Stundung zunächst, dass der Darlehensnehmer Einnahmeausfälle hat. Dies lässt sich relativ leicht nachweisen. Diese Einnahmeausfälle müssen aber ihre Ursache im Auftreten des Corona-Virus haben. Für Betriebe, die aufgrund behördlicher Anordnung geschlossen wurden, dürfte dies wenig problematisch sein, in anderen Branchen wird sich zeigen müssen, welche Anforderungen an die Begründung gestellt werden.
Diese durch COVID-19 verursachten Einnahmeausfälle müssen dann aber noch dazu führen, dass der Darlehensnehmer die geschuldete Leistung ohne Gefährdung seines Lebensunterhaltes oder des angemessenen Lebensunterhaltes seiner Unterhaltsberechtigten nicht zumutbar erbringen kann. Hier bleibt völlig offen, welche Anforderungen an die Zumutbarkeit der Leistung gestellt werden sollen und wie der Darlehensnehmer dies beweisen soll. Kann der Darlehensnehmer diese Zumutbarkeit nicht beweisen, so sind die Raten fällig und es droht schlimmstenfalls die Kündigung des Darlehensvertrages.
Eine weitere Steigerung der Unsicherheit findet sich allerdings in Art. 240 § 3 Abs. 6 EGBGB. Danach tritt die Stundung nicht ein, wenn dem Darlehensgeber die Stundung oder der Ausschluss der Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unzumutbar ist. Wie dies der Darlehensnehmer vorhersehen soll, der auf den Eintritt der Stundung vertraut, bleibt völlig offen.
Im Ergebnis ist Voraussetzung für die Stundung eine Gesamtabwägung der gegenseitigen Interessen von Darlehensgeber und Darlehensnehmer, die dem jeweiligen Vertragspartner nicht bekannt sind und die aber automatisch zu einer Stundung und einem Kündigungsausschluss führen können, ohne dass für die Parteien vorhersehbar ist, ob die Voraussetzungen jeweils vorliegen. Nach Ende der Stundung verlängert sich die Vertragslaufzeit um drei Monate, die Fälligkeit wird jeweils um diese Frist hinausgeschoben, es sei denn, die Parteien einigen sich auf eine abweichende Regelung. Diese Regelung erscheint durchaus interessengerecht.
Problematisch ist, dass der Darlehensgeber dem Verbraucher eine Abschrift des Vertrages zur Verfügung stellen muss, in der die Vertragsänderungen berücksichtigt sind. Ob diese Vertragsurkunde die Voraussetzungen des § 492 BGB erfüllen müssen und welche Rechtsfolgen etwaige Fehler in diesen Vertragsurkunden nach sich ziehen, kann aktuell nicht beurteilt werden. Hier wäre der Gesetzgeber gehalten, umgehend Klarheit zu schaffen.